Montag, 1. Juli, Coulter Bay Village – Lake Village – Lower Grand Loop – Lake Village , 174 mls

Hatte ich gestern gejubelt, dass wir direkt vor der Baustelle abbiegen können, müssen wir heute natürlich damit anfangen. An der Kreuzung ist eine Tankstelle mit zwei Ausgängen, beide erscheinen nicht sehr vielversprechend um sich in den fließenden Verkehr einzuordnen, der im Moment auf der Einbahnstrasse in die Richtung rollt, in die wir wollen. Aber vor uns stehen drei Autos, die stattdessen nach Süden wollen. Kurz entschlossen faßt sich Basti ein Herz, fährt an allem vorbei und fädelt sich ein. Ich schaffe das ein Auto später und die Baustelle stört uns gar nicht mehr. Das Auto überhole ich später, es ist zu merkwürdig, Basti nicht im Blick –vorweg oder im Rückspiegel- zu haben.

Wir fahren direkt ins nächste Hotel und obwohl es noch früh ist, haben sie unser Zimmer schon fertig. Hurra, wir können das Gepäck hier lassen, ich fahre in Jeans, Basti in Turnschuhen durch den Lower Grand Loop des Yellowstone National Parks.

Die Straßen im Park sind eigentlich eine große 8 und nachdem wir es fleißig vor uns her geschoben  haben, haben wir jetzt zumindest einen groben Plan für die nächsten drei Tage: Heute den Lower loop, also den kompletten unteren Kreis der 8, morgen bei Old Faithful, dem Geysir hauptsächlich wandern und übermorgen die nördlichen ¾ abfahren, die wir noch nicht kennen. Klingt gut, oder?

Wir pirschen uns von Spot zu Spot, unser erster Halt sind die LeHardy Rapids. Angeblich sollen hier, neben dem schönen, kühlen, schäumenden Wasser im Juni/Juli auch Forellen auf ihrem Weg zum Laichen zu sehen sein, aber deren Kalender scheint sich verstellt zu haben, jedenfalls sind keine sichtbaren Fische im Fluss. Außerdem fließt der Fluss in die falsche Richtung. Auf dem gesamten Weg hierher ist uns der Lewis River entgegen gekommen. Wieso kann der Yellowstone River dann jetzt mit uns fließen? Das macht so lange keinen Sinn, bis Basti mich daran erinnert, dass wir über den Continental Divide gefahren sind. Gelesen habe ich das auch, aber erst mit der Übersetzung –Wasserscheide- macht es Sinn. Der Yellowstone River fließt langfristig in den Atlantik, der Lewis in den Pazifik. Oder andersherum.

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Ein kurzes Stück weiter ist schon wieder der nächste geplante Halt, aber vorher gibt es noch einen ungeplanten Fotostopp: Ganz weit hinten auf der Wiese grasen zwei Bisons, ein weiteres liegt im Gras. Bisons, ohne Zaun, in freier Wildbahn, echte, tatsächliche Tiere. Und mein Tele ist gut. Ich bin stolz wie Oskar, allerdings nicht lange.

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Das nächste Bison begegnet uns an den Mud Holes, die Basti sehen wollte. Blubbernder, nach Schwefel stinkender Schlamm und daneben liegt ein riesiges Tier, kaum mehr als eine Armlänge entfernt und atmet schwer. Die Touristen, die wie wild fotografieren, ignoriert es. Näher muß ich diesen Tieren, glaube ich, nicht kommen. Wir gehen weiter, gucken uns unterschiedliche fauchende und stinkende Löcher an, die alle witzige Namen haben und alle von Asiaten umringt sind.  Voll ist es, aber das war, wenn die Hotels ausgebucht sind, ja nicht anders zu erwarten. Die nächste Attraktion, den Sulphur Caldron lassen wir rechts liegen. Vor uns stockt der Verkehr und als ich in Sichtweite komme, schießen mir mehrere Gedanken fast zeitgleich durch den Kopf: Bisons mit Kälbern! Tolle Fotos! Ich bin zu nah und habe kein Auto um mich herum! Herdenweise! Scheiß Touristen! Kein Platz zum Halten, müssen die auf der Straße parken! Tolle Tiere! Dann sind wir vorbei und ich habe kein Foto gemacht (klingt ein bißchen wie Germanys next Topmodel: „Liebes Bison, ich habe heute kein Foto für Dich“).

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Ich bin mit mir uneins. Auf der einen Seite fahre ich hier ja auch nur durch, wer bin ich, die armen Städter, die das erste Mal ein echtes Tier sehen (oder so ähnlich) zu verurteilen. Auf der anderen Seite fahre ich hier halt und würde nie auf die Idee kommen für ein Foto einfach mitten auf der Straße stehe zu bleiben. Dabei käme man an meinem Mopped sicherlich leichter vorbei als an deren Panzern. Es nervt, weil sie sich benehmen als seien sie alleine auf der Welt, dabei ist der nächste Turnout nie weit. In dem Zusammenhang: es nervt mich auch, wenn die Motoren der Autos weiterlaufen. Vatti will Foto, Mutti will Kühle, also geht er los und sie bleibt bei laufendem Motor im Wagen sitzen. Mein Umweltgewissen jault auf, hier ist alles auf Recyling und dann so etwas. Aber es ist nicht mein Bier.

Auch wenn es auf dem nächsten Stopp – Artist Point, Grand Canyon of the Yellwostone- wieder ein paar davon gibt. Hatte ich schon gesagt, dass es voll ist? Selbst mit den kleinen, schlanken Moppeds finden wir kaum einen Parkplatz. Die Suche lohnt sich aber, wir bestaunen die Lower Falls und eine hohe, enge Schlucht. Schön. Auf dem Parkplatz steht ein alter Mann, schaut in die Büsche und raucht eine Zigarette. In dem Moment ist nichts wichtiger als das Rauchen, jeder Zug, die Leute um sich sieht er gar nicht. Dann ist er fertig, macht die Kippe aus und steckt sie in eine Plastikdose mit etwas, das wie Katzenstreu aussieht.  Ich muß an meinen Vater denken und beneide den Mann um seine Fähigkeit, die Welt auszublenden.

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Inzwischen ist es warm, ich bin froh, nur in Jeans zu fahren, zudem der Verkehr eher zäh ist, irgendein Wohnmobil ist immer im Weg oder einer kann wieder keinen Parkplatz finden und bleibt für das nächste Bison einfach mittig auf der Straße stehen. Oder wird langsamer weil der/die Beifahrer noch schnell ein Bild von der tollen Aussicht machen will – während die beiden gerade vom Parkplatz in den eigentlich fließenden Verkehr rollen. Grummel. Aber es gibt auch Lichtblicke, die paar wenigen Loops, rechts und links vom Hauptweg. Wir probieren den Virgina Loop und kommen auf eine schmale Einbahnstraße, die an kleinen aber feinen Wasserfällen vorbeiführt, die Straße selber direkt in die Wand gehämmert, links steiler Fels, rechts geht es weit runter. Hübsch. Und leer! Naja, zumindest leerer.

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Aber zurück zu den Hauptattraktionen, unser nächster Halt ist das Norris Geyer Basin mit dem Porcellain Basin, wir nehmen den Rundweg und bestaunen Dampfwolken, blubbernde Seen, farbige Abläufe und ein paar kleine Fontänen. Das kostet uns einiges an Zeit, lohnt sich aber, auch wenn es fast die ganze Zeit nach Schwefel riecht und sehr warm ist. Als wir zurück auf den Parkplatz kommen, sehe ich mein Halstuch fliegen. Hm, das hatte ich doch in den Tankrucksack getan. Und wieso liegt der Reiseführer auf dem Boden? Dann sehe ich den Übeltäter: auf meinem Mopped hockt ein dicker, großer Rabe und hat den Reisverschluss vom Tankrucksack aufbekommen. Ich kann ihn verscheuchen, bevor er echtes Unheil anrichtet, auch wenn ich seitdem einen Lippenfettstift nicht mehr finden kann. Der Kerl hat echt drei Reißverschlüsse aufbekommen, als hätte er darin Übung. Und ja, wir hatten noch ein paar verschweißte Keks mit, die Basti seitdem im Rucksack mitnimmt. Hätte ich nicht gedacht, dass Tiere die durch das ganze Plastik riechen können. Aber vielleicht war es ja auch nur Neugier und der Rabe hatte bei anderen  Moppeds bereits die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt. Schlaue Tiere. Im Gegensatz zu uns, wir machen anscheinend jeden Fehler, von dem man in jedem Prospekt abrät. Aber immerhin nicht alle auf einmal, Wasser haben wir (fast) genug mit.

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Es ist fast fünf und wir haben noch nicht die Hälfte des Loops geschafft. Wir straffen unsere Planung, lassen die meisten der folgenden Geysire links liegen und fahren durch –soweit es der Verkehr zuläßt. Nur den im Reiseführer hochgelobten Artist Paintpot gucken wir uns nach an, Basti schon nur noch von unten. Hm, da schmeißt einer mit Gips, ganz weiß, und ja, ein paar Löcher sind bunter als die anderen, aber anscheinend sind ein paar der wirklich bunten Löcher verstopft oder auf Urlaub oder sind wegfotografiert, abgenutzt. Es ist ein schöner Spaziergang, aber kein Vergleich zum Porcellain Basin. Dann noch einen kleinen Loop, den Firehole Canyon Loop, der auch ein paar schöne Blicke vorweisen kann. Wir setzen uns auf ein paar Steine direkt am Wasser, essen , trinken unser letztes Wasser und genießen den Schatten und das Rauschen des Wassers. Wir sind fast das erste Mal heute alleine und die Geräusche sind nicht mit menschlichen Stimmen (außer unseren) und Motorengeräuschen unterlegt. Schön.

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Der Rest ist Heimweg, nur ein kurzer Stopp am Old Faithful, gar nicht um zu gucken, sondern nur um Getränke zu kaufen. Es ist einfach der nächste General Store. Da wir hier morgen übernachten, heben wir uns das auf und fahren weiter.

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Die Straßen sind leerer, die südliche Straße über den Craig Pass auch kurviger, auf einmal macht auch das Fahren im NP Spaß. Okay, wir sind vielleicht ein klitzekleines bißchen schneller als erlaubt. Aber solange es noch genug Menschen gibt, die rechts und links an der Straße stehen, sobald ein Tier da ist –diesmal sind es zwei Elks- dürfte das kein Problem sein. Die letzten Tiere sehen wir dann direkt am Hotel, drei Hirsche oder Rehe mit Geweihen, ich weiß es wirklich nicht, die hinterm Haus grasen.

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Im General Store kaufen wir Mückenspray und noch ein paar Getränke. Ich sehe das perfekte Mitbringsel für Volker, eine Mütze mit Biberschwanz. Nur die Tatsache, dass es Kindergrößen sind, hält mich davon ab, diese großartige Kopfbedeckung zu kaufen.

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