Archiv für den Tag: 4. Juli 2013

Donnerstag, 4. Juli, Canyon Village – Beartooth Pass – Red Lodge, 119 mls

Nachdem es anfangs in der Cabin zu warm war, war es später zu kalt. Eine gute Nacht sieht anders aus, aber es war immerhin besser als gestern. Wir fahren die ersten 20 Meilen um an den Tower Falls zu frühstücken. Basti holt einen Muffin, der geht schon als ganzer Kuchen durch. Ist lecker und dürfte für den Tag reichen. Die Falls selber sind nett, aber ja, Guido, was Wasserfälle angeht sind wir inzwischen wirklich verwöhnt. Auf dem Parkplatz merke ich das erste Mal, dass heute ein besonderer Tag ist (jedenfalls für die Amerikaner): Eine Horde Menschen, alle mit blau-weiß-roten-Girlanden um den Hals ruft jedem, der ihnen entgegen kommt „Happy Fourth“ zu. Was antwortet man darauf, Happy Fifth?

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Die Strecke zum nordwestlichen Ausgang des Parks ist prima. Gerade denke ich, dass ich von all den nicht gemachten Fotos nur das mit der Bisonherde vermissen werde, da hält Basti rechts an – eine Bisonherde grast am Fluß. Hat er mich gehört?

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Langsam aber sicher schrauben wir uns in die Höhe. Kurz hinter dem Parkausgang sind wir für einen Moment in Montana, dann aber gleich wieder in Wyoming. Aber man merkt den Übergang jeweils am Straßenbelag. Das ist wie in Deutschland, wo der neue Asphalt auch immer genau an der Landkreisgrenze endet.  In Cooke City (Montana) scheint das ganze Dorf auf der Straße, auf der Straßenmitte steht ein Feuerwehrauto und hält uns noch einen Moment auf – anscheinend haben wir genau die Parade verpaßt.

Höher und höher geht es, in langen, schnellen Kurven nähern wir uns dem so gelobten Beartooth Pass. Bisher finde ich die Strecke zwar schön, aber so toll auch wieder nicht, zudem ich glaube mich zu erinnern, dass ein Frau etwas von beängstigend gesagt hat. Nö, diese Seite noch nicht. Aber irgendwann sind wir ganz oben, ein Hochplateau auf 10.947 ft, also ungefähr 3.600m, das hat schon was. Toller Ausblick und endlich wieder einmal Schnee rechts und links von der Straße. Leider hat es hier auch wilde und gefährliche Tier und Baustellen, in Kombination ziemlich gräßlich. Die Straße wird einspurig geführt und wir halten mitten im Nichts an einer roten Ampel. Vor uns zwei Autos, rechts und links Tümpel und daher Mücken ohne Ende. Nichts passiert, weder Gegenverkehr noch wird die Ampel grün. Dafür werden wir ziemlich zerstochen. Das Auto ganz vorne fährt bei rot. Hm, seit wann der hier wohl gestanden hat? Schließlich kommen ein paar Autos durch, aber als die Ampel danach auch nicht auf grün springt, entschließen wir uns, den wilden Tieren zu entfliehen. Es geht weiter nach oben, hoffentlich wird’s den Mücken, die mitkommen irgendwann einfach zu kalt. Autos folgen uns nicht, ob die noch immer da stehen?

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Der Blick ganz oben ist toll, aber die Parkplätze rechts und links sehen  nicht wirklich vertrauenserweckend aus. Viel schlimmer aber, ich versuche dem Wetter davon zu fahren. Eine große dunkle Wolkenwand hängt am Himmel, ich hoffe, dass sie sich auf dieser Seite abregnen und wir aber vorher auf der andern sind. Auch wenn ich weiß, dass man dem Wetter nicht davon fahren kann – die Hoffnung stirbt zuletzt. Entsprechend kurz und selten fallen die Fotostopps aus. Das ist, wie so oft ein bißchen schade, denn der Beartooth Pass ist durchaus beeindruckend.

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In Montana darf ich tagsüber 70 mph fahren, dass nutzen wir auf dem Weg in Tal zurück weidlich aus und schaffen es tatsächlich trocken ins Hotel. Red Lodge sieht nett aus, auch hier beweisen Pferdeäpfel auf der Straße, dass es eine Parade gegeben hat. Die Hautstraße ist geflaggt und im Park grillen viele Menschen. Wir fahren im Schritttempo durch die Stadt und kommen trotzdem trocken ins Hotel.

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Mein Mopped trägt den Dreck von 5.000 Meilen mit sicher herum, auch Bastis letzte Waschung war irgendwo am Pazifik, wenn ich mich richtig erinnere. Nebenan kann man sein Fahrzeug gegen eine Spende –für was auch immer- waschen lassen. Gesagt getan, und auch wenn dieser eine, gutaussehende, muskulöse Surferboy sich nicht daran beteiligt, es ist schon ein Bild, wenn drei Mädels und ein Kerl um unsere Reisemaschinen springen und versuchen die Fliegen aus Oregon abzukriegen. Und dann werden wir auch naß, jetzt ist das Wetter da.

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Gehen wir noch in die Stadt? Keine Ahnung, jedenfalls würde da nicht viel los sein. Das Hotel –und die anderen auch- sind ausverkauft, weil hier Rodeo ist, heute war es hier, heute Abend ist wohl eine große Veranstaltung 50 mls von hier. So sehr mich ein Rodeo mal interessieren würde, das ist mir zu weit, zudem es inzwischen richtig gießt. Wie schön, dass Häuser innen hohl sind.

Wir sind inzwischen 5.000 mls gefahren, das bedeutet unter anderem, dass ich bei meinem 10-Jahre alten Motorrad die Milage innerhalb von 6 Wochen verdoppelt habe. Auch wenn unsere „Chickenstrips“ oder Angststreifen am Reifen (also der kaum oder unbenutzte Teil des Reifens) immer noch einen dicken Daumen breit sind, nenne ich das doch mal artgerechte Haltung.

Basti: Noch einen kleinen Nachtrag zu den gefährlichen Tieren im Yellowstone, ich habe mich an einen Begriff aus Renas Sicherheitswelt erinnert: Schwarmsicherheit, das beschreibt unser Verhalten ziemlich gut. Ohne Bärenspray bleiben wir einfach dort, wo wir nicht alleine sind, damit es schmackhaftere Ziele gibt.

Mit dem Beartooth Pass fahren wir endlich wieder Motorrad, Spitzkehren! Und davon gleich mehrere und auch eine gute Straße – ein Genuß.

In den paar Minuten seit Rena mir den Rechner zum Schreiben gegeben hat, ist aus dem Regen Hagel geworden und die Autos, die ich aus dem Fenster sehe, fahren durch einige sehr tiefe Pfützen. So wird aus dem „Stadtbummel“ in Red Lodge wohl doch nichts mehr, aber wenn wir eins auf dieser Reise gelernt haben, so ist es die Sachen zu nehmen wie sie kommen und so werden wir wohl auch erst morgen entscheiden wie es weitergeht – wetterabhängig.

Mittwoch, 3. Juli, Old Faithful – Canyon Village, 101 mls

Was für eine sch*** Nacht. Wir haben zwar früh ein Zimmer bekommen, aber vermutlich dafür das schlechteste. Die Luft steht, selbst mit Querlüften und offener Zimmertür wird es nicht besser. Und ab 06:00 Uhr morgens liefern direkt vor unserem Fenster Trucks Zeugs an. Im bisher teuersten Zimmer verbringen wir die schlechteste Nacht.

Entsprechend früh brechen wir auf, tanken und fahren dann die Westseite von Yellowstone hoch. Die Geysire und Fumorolen lassen wir links liegen, aber am „Roaring Mountain“ muß ich dann doch kurz für ein Foto halten.

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Und so geht es weiter, mehr fahren als alles andere, für die Sheepeater Cliffs halten wir, machen auf einem Parkplatz, den wir für uns alleine haben ein paar Fahrbilder. Und an den Mammoth Hot Springs Terraces können wir natürlich auch nicht vorbeifahren. Es gibt hoffentlich tolle Bilder von kalkigem Wasser, dass neue Landschaft bildet, aber mehr als gucken, Foto, weiterfahren ist es auch hier nicht. Zu warm, zu viele Leute. Allerdings machen wir im Ort selber einen längeren Stopp, teilen uns ein Sandwich und beobachten sowohl einzelne Elks, die seelenruhig vor dem Generalstore grasen, als auch die Leute drum herum, die in Entzückensschreie ausbrechen, wenn sie den Elk sehen. Okay, weiter hinten, etwas verborgen sind auch ein paar Junge, die finde ich auch klasse. Aber dass der Park Ranger kommen muss um die Leute davon abzuhalten, sich den Tieren weiter zu nähern, finde ich komisch. Auch wenn die sich vielleicht an uns und den Verkehr gewöhnt haben, es ist kein Streichelzoo.

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Inzwischen habe ich begriffen, dass Stau hier immer entsteht, wenn Tiere von der Straße aus zu sehen sind, diesmal sind es zwei Proghorns, die zugegebenermaßen wunderschön sind. Ich verstehe trotzdem nicht, wieso jeder –jeder!- Fotos bei der Annäherung macht und dann trotzdem noch direkt vor den Tieren stehen bleibt. Später gibt es zwei weitere Staus, diesmal sind keine Tiere zu sehen, aber jemand sagt, es sind Bären, weiter hinten im Wald, dort, wo die Menschen hinlaufen. Sollte man sich von Bären nicht eher entfernen? Egal, hier ist definitiv keine Chance, die Motorräder hinzustellen, also gibt es kein Bärenbild. Stattdessen gibt es eins vom Petrified Tree.  Auch hübsch, läuft nicht weg, greift nicht an.

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Der nördliche Teil gefällt mir besser als der südliche, er ist etwas schroffer, nicht ganz so gefällig und nicht nur endlose Kiefernwälder oder Wiesen.  Es gibt auch mehr Kurven, aber wenn der vor mir mehr damit beschäftigt ist in die Landschaft zu gucken als zu fahren, nutzt das nicht viel. Dafür habe ich Zeit, Steine zu beobachten. Die meisten Steine hier sind tatsächlich Stein, aber ein paar wedeln mit dem Schwanz, das ist dann ein Bison. Ich würde schätzen, dass es 10:1 steht, auf 10 Steine kommt ein Bison.

Die letzte Teilstrecke fängt mit Baustelle über mehrere Meilen an, entwickelt sich dann aber zu einer schönen Strecke, auch leerer, schöne Ausblicke, auch wenn wir einen weiteren Wasserfall komplett ignorieren. Dirket in der Baustelle mit Staub und Schotter und viel zu vielen Menschen habe ich einfach keine Lust anzuhalten. Die Menschen sammeln sich dann wieder in Canyon Village, hier gibt es Souvenirs und Eis und Essen und für uns eine Lodge. Sehr basic, ich würde sagen zweckmäßig, aber vor allem auch heiß.

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Am späten Nachmittag fahren wir dann noch den North Rim Drive bis zum Inspiration Point und schauen uns ein weiteres Mal den Grand Canyon of Yellowstone an. Beeindrucken, aber nicht beeindruckend genug, dass ich Basti noch überreden kann zu den Upper Falls zu fahren. Auf dem Weg dahin haben wir eine weitere Tierbegegnung, ein Bison steht am Straßenrand, war ja klar, war  Stau, mußte ein Tier da sein.  Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass es nicht grast, sondern am Straßenrand steht und den Verkehr beobachtet. Im Auto ist das bestimmt super, auf dem Motorrad, …, na, sagen wir es gibt entspanntere Situationen.

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Zurück in der Cabin ist es immer noch heiß, vor allem fühlt sich die Heizung heiß an, so dass Basti kurzentschlossen zur Registration fährt und einen Servicetechniker bestellt weil wir beide glauben, dass die Heizung an ist. Ist sie nicht. Aber es ist trotzdem gut, dass der Mann kommt, denn wir haben uns ausgesperrt. Ich bin sehr gespannt, wie diese Nacht wird, aber es soll ja kühler werden und vielleicht sogar Gewittern. Und Laster? Hier nicht. Vor uns läuft ein Reh weg, und ein anderes steht in den Büschen. Aber Laster gibt es hier nicht.

Aber wir haben das erste Mal sichtbare Nachbarn, jeweils vier Cabins teilen sich einen Eingang. Mit einem Pärchen kommen wir ins Gespräch, Basti erzählt ein bißchen, als er die 2 Monate erwähnt, kommt spontan die Frage, ob wir Lehrer sein. Die haben hier anscheinend auch als einzige Profession so lange Urlaub. Und sie sind die zweiten, die uns Glacier Park empfehlen – ich freu mich drauf.

Basti: Die Unterkunft ist besser als gedacht, wir haben eine Dusche! Entspricht den Cabins in Colter Bay, nur nicht so schick als Blockhaus gebaut, sondern einfachere Holzkästen mit Flachdach und ohne Isolierung. Die Heizung ist eine Gasheizung und die Restwärme ist die Pilot-Flamme. Da der Raum  nicht wärmer ist als das teure Hotel gestern, finde ich das hier deutlich besser. Wir sind „mitten“ im Wald und haben uns vorgestern mit Mückenspray eingedeckt – heute werden wir es brauchen, um nicht total zerstochen aufzuwachen.

Ich glaube ich habe es schon erwähnt, ich bin ein wenig „Landschafts-müde“ daher hat Rena auch Probleme mich zu einer weiteren Schleife zu einem weiteren Wasserfall zu überreden. Ach ja, die Tiere hier, stimmt einen Bären haben wir nicht gesehen, aber genug Bisons. Ich dachte ja, das Bison an den Mud Volcanos vorgestern auf 5 Meter Entfernung sei schon beeindruckend nah, wie da so faul in der Sonne lag, falsch gedacht. Heute Abend auf unserem Weg zum North Rim war mal wieder Stau direkt nach der Auffahrt auf die Hauptstraße, diesmal kein ach so süüüßes Reh, sondern ein Bison am Straßenrand. Allerdings auf unserer Straßenseite, meistens  brav am Grasen, während die Autos sich langsam dran vorbeischlichen. Als ich dann im stop-and-go an dem Tier vorbeirolle hebt es den Kopf und verfolgt mich mit seinem Blick – Abstand 2 Meter – mir schießt durch den Kopf, daß mein Auspuffgeräusch deutlich anders klingt als das von den Autos und hoffe das riesen Vieh nicht zu provozieren. Was helfen mir 180PS und 0-100 in unter 3 Sek wenn ich zwischen Autos festhänge?

Aber morgen geht es ja raus aus dem Park und über den von einigen Leuten empfohlenen Pass Richtung Red Lodge. Ich muß noch ein Versprechen einlösen, da wir bis jetzt alle Geisterstädte wegen Straßenzustand oder zu großem Umweg ausgelassen haben, ist das in der nächsten Woche fällig. Montana hat zwei davon zu bieten, wobei eine eher eine Museumsstadt ist in der die Historical Society in originalgetreuer Kleidung dem Ganzen Leben einhaucht. Ist das eigentlich dann noch eine Geisterstadt?