Archiv für den Tag: 16. Juli 2013

Dienstag, 16. Juli, Joseph – Lake Wallowa Joseph, 15 mls

Nach dem gestrigen Tag haben wir entschieden auszuschlafen. Basti hat das Motel um einen weiteren Tag verlängert. Ich fühle mich wohl hier.  Wir packen Handtücher ein und fahren zum See. Aber erst halten wir an Old Chief Josephs Grab. Ein paar vertrocknete Blumen liegen neben dem Stein, für mindestens einen Menschen scheint das Grab noch wichtig zu sein. Ein paar Meter weiter liegt ein ganze Familie Weißer auf einem Indianischen Friedhof – ist das das ultimative Zeichen von Toleranz? Freundschaft? Mir gefällt es, es zeigt Möglichkeiten.

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Einmal tief Luft holen, das Gefühl von Spiritualität mitnehmen (geht das?) und weiterfahren. Vor uns springt ein Reh über die Straße, so federnd, so elegant, so schön, und verschwindet im Vorgarten eines Hauses. Es hat einen unglaublich eleganten Gang.

Wir halten am See, es regnet ein paar Tropfen, wir verschieben das Baden und fahren weiter zum Wallowa State Park. Ein paar Cabins, ein paar Zelte, eine Marina, ein Strand – in Deutschland würde man Naherholungsgebiet sagen. Hinter dem See hohe Berge. Basti steckt eine Hand ins Wasser – damit hat sich das Baden erledigt. Zu kalt.

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Wir nehmen die schräppelige alte Seilbahn, die Walloha Tram, nach oben, 27$ für einmal rauf und einmal wieder runter scheint auf den ersten Blick viel Geld, aber oben auf Mt Howard sind Wege angelegt mit vielen Hinweisschildern und ein Absprung für Paraglider – sie geben sich Mühe und ich finde, unser Spaziergang hier oben ist das Geld wert. Und es sichert Arbeitsplätze, oben sind zwei, unten sind zwei Menschen, plus eine Ticketverkäuferin.  Ach, es ist einfach schön hier oben und wir mußten nicht laufen. Alles gut.

Oben sehen wir zwei weitere Rehe, vor allem aber Heerscharen von Erd- und Streifenhörnchen, beide Arten total zutraulich. Basti streckt die Hand aus und die Tiere sind es so gewöhnt, gefüttert zu werden, dass sie rankommen statt wegzulaufen. Der einzige Nachteil: Wenn die kleinen Tiere hier so zutraulich sind, dann gibt es bestimmt keine Raubvögel.

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Es ist ruhig, wenig Leute unterwegs, es gibt einen tollen Blick in die Landschaft, wir können die Berge von Hells Canyon erkennen. Ach, ist das schön hier. Unsere Dialoge sind eher surreal, aber es hört uns ja keiner zu, zumindest niemand, der Deutsch versteht. Es geht mir gut, mein  „echtes“ Leben ist ganz weit weg, aber das stimmt nicht, das hier gehört auch zu meinem echten Leben, ich möchte wiederkommen. Sagen wir, mein Alltag ist ganz weit weg.

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Auf dem Rückweg halten wir ausnahmsweise Mal an einem der Heritage Points. Hier hat der Zug der Nez Percé Indianer von ihrer Heimat Richtung Kanada begonnen. Die meisten haben es nicht geschafft. Ich bin berührt, mir fällt kein besseres Wort ein. Seit Menschengedenken haben die Native Americans hier gelebt, ohne das Konzept „Land besitzen“ zu brauchen, zu verstehen oder zu akzeptieren.  Und jetzt sitzen sie in Reservaten, die ihnen die USA großzügigerweise zugesteht weil die hochgerühmten Pioniere mehr oder brutaler waren.  Ich nehme mir vor, mehr über die Nez Percé zu lesen, um von meinem Kinderbild „edler Wilder“, geprägt von Karl May, weg zu kommen. Und irgendwann wiederzukommen.

Basti: Rena hat es geschafft, endlich ist einer dieser riesen Schmetterlinge sitzengeblieben – ausgerechnet auf einem Parkplatz am See.

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Beim gemütlichen Schreiben am Motel zeigt das Wetter nochmal kurz wie schnell es sich ändern kann.

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Montag, 15. Juli, Joseph – Hells Canyon Overlook – Hells Canyon Dam – Halfway – Joseph, 215 mls

Der Tag fängt harmlos mit einem wunderschönen Waldweg an, den wir meilenweit für uns alleine haben. Wenn die Landschaft so gleichbleibend ist – wunderschön, aber eben meilenweit Wald – dann verliere ich ziemlich schnell mein sowieso nicht besonders ausgeprägtes Zeitgefühl. Es ist einfach nur gut. Minuten- oder Stundenlang. Kein Gedanke bleibt, sie kommen und gehen und fliegen vorbei, kommen vielleicht wieder, aber nicht aufdringlich, so ähnlich muß meditieren sein, nur dass ich statt auf meinen Atem auf die Straße achte. Einatmen, ausatmen, Rechtskurve, Linkskurve.

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Wir halten an einer Art Brücke, kaum zu erkennen, aber man sieht das Bächlein, dass uns die meiste Zeit des Weges begleitet. Statt Leitplanken gibt es Wiesenblumen und ein Nadelbaum sprießt aus dem Asphalt. Friedlich, vor allem, wenn wir die Motoren ausmachen.

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Der erste „echte“ Stopp ist der Hells Canyon Lookout. Ein gut gemachter Aussichtspunkt in der Mitte von Nichts. Wir haben mehr als eine Stunde gebraucht, näher dran sind nur Campingplätze. Es gibt einen weiten Blick ins Land, aber „Canyon“ hatte ich mir dramatischer vorgestellt. Schön ist es allemal, ich verstehe die Leute, die hier ein Picknick machen.

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Wir sind links auf den Parkplatz abgebogen, gerade aus geht die Straße ins Nichts, so sieht es zumindest aus. Überhaupt, es gehen ziemlich viele Schotterpisten rechts und links von der Straße ab, keines mit einem Verbotsschild, nur manchmal wird gewarnt, dass die Straße für normale Autos nicht geeignet ist. Kein Wunder, dass wir hier so viele Enduros sehen, zum ersten Mal deutlich mehr als Harleys.

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Der Overlook ist – wie der Name schon sagt – eher oben. Die nächsten Meilen bis zum Fluß geht es also tendenziell runter, nicht immer, ein paar Steigungen und ebene Strecken sind auch dabei, aber je weiter wir runter kommen, desto wärmer wird es. Anfangs hilft der Fluß, aber spätestens am Oxbow Dam ist es warm. Heiß. Zu heiß. Vor uns liegt eine ca. 30 Meilen lange Sackgasse, zum Hells Canyon Dam und zurück, immer schön am Snake River entlang, immer schön zwischen Hitze abstrahlenden Felsen. Ich verstehe, dass Basti, insbesondere nach dem Grand Canyon, wo man den Colorado kaum gesehen hat, mal runter ans Wasser wollte. Aber da sind wir jetzt doch. 30 Meilen bis zu einer Staumauer? Muß das?

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Ja, es muß. Und auch wenn es scheiß-heiß ist und es mir wirklich schwerfällt, am Ende muß ich zugeben, dass es sich lohnt.  Anfangs ist der Canyon fast lieblich, rechts und links zwar hochaufragende aber nicht besonders steile Hänge. Je tiefer wir kommen, desto enger wird das Tal und die Felswände rechts und links steiler. Der Fluß ist immer noch ein besserer See, aber nach dem Damm wird auch das besser, ein bi0chen Weißwasser ist zu sehen und ich kann mir zumindest vorstellen, wie es hinter der nächsten Biegung wird. Und dass es bestimmt total großartig ist, auf dem Fluß zu fahren. Aber die Straße ist 1 Meile nach dem Damm beim Visitor Center zu Ende. Und die Anfahrt ist mir für eine Bootstour zu lang. Auch etwas, wozu wir vermutlich wiederkommen müßten. Also fahren wir die 30 Meilen zurück. Gefühlt ist die Strecke zurück sowohl länger als auch wärmer.

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Aber irgendwann ist es vorbei und dann ist da die Tankstelle, an der wir halten wollen, und wo es zumindest kalte Getränke gibt und Schatten … und Basti fährt vorbei. Waaaas?

15 Meilen weiter (die wir auch wieder zurück müssen) ist ein größerer Ort, angeblich mit Tankstelle und zwei Restaurants und da fährt er jetzt hin, aber dammich, mir ist jetzt warm und wir sind sind 40 Meilen ohne Pause, ohne Schatten unterwegs und es ist immer noch scheiß-heiß und der Wind ist wie ein heißer Fön und im Death Valley war es gar nicht sooo warm. Grumph. Als er endlich hält, bin ich am Ende – aber jetzt ist es kürzer in den Ort –Halfway- als zurück.

Also fahren wir nach Halfway. Halfyway von was? Egal, es gibt hier was zu essen und Sprit. In einem Anfall von Voraussicht fragt Basti den Bartender nach den Tankstellen. Ja, zwei Stück, beide machen um 6 zu. Öh, es ist 5:30. Vor uns haben 5 Enduro-Fahrer bestellt. Basti fährt nacheinander unsere Moppeds tanken, kurz nachdem sein Burger auf dem Tisch steht, ist er auch wieder da.

Der Rückweg ist, …, ach, ich weiß nicht. Auf der einen Seite bin ich echt fertig, auf der anderen Seite ist es immer noch ein wunderschöner Waldweg. Ein einziges Reh sehe ich im Wald, dafür viele Mäuse, die über die Straße laufen. Und ein Streifenhörnchen, das auf irgendetwas wartet. Wir machen mehrere kurze Pausen. Langsam geht die Sonne unter.

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Am Ende ist unser Timing super, auf dem letzten Stück nach Joseph geht es direkt nach Westen, aber anstatt zu blenden, ist die Sonne schon hinter’m Berg verschwunden und gibt tolles Licht. Ich versuche es einzufangen, auch das wieder vorhandene Wasserballett. Nach einem kurzen Stopp am Supermarkt sind wir zurück im Motel. Basti geht zum Office um eine weitere Nacht klar zu machen. Ich will morgen schlafen bis zum Aufwachen, ohne Wecker, ohne Zeit, ohne Plan. Nein, das stimmt nicht, ich will immer noch zum Grab von Chief Joseph. Und zum See. Morgen. Heute bis ich einfach nur noch fertig. Ein kleiner 200-Meilen-Ausflug, mal so eben, hin und zurück. Und da wundert sich der Weber, dass wir bereits knappe 7.000 Meilen im Kielwasser haben…

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