Rena: Wir starten früh, sind vor 09:00 Uhr unterwegs, es ist trotzdem bereits warm; wir hoffen auf kühle 17°C an der Küste (was sich später als trügerisch herausstellt). Von Red Bluff aus sind wir mehr oder weniger direkt auf der 36. Ein Fest auf Rädern. Es sind mindestens 4 Straßen in einer: wir starten in einer Umgebung von braunem, trockenen Gras und wenigen Bäumen. Das ganze Land schreit „Trocken. Heiß. Kein Wasser.“ Die Straße staubt und verbindet enge Kurven mit Kamelbuckeln. Kamelbuckel fahren ist wie im Comic: Die Straße geht rauf und runter und auf der Hügelkuppe sackt das Motorrad unter Dir weg weil es schwerer ist als Du und eine winzige Ewigkeit später landet dein Hintern wieder auf der Sitzbank. Halt wie im Comic, wenn die Figur über die Klippe hinausrennt aber erst fällt, wenn sie merkt, dass sie keinen Boden mehr unter den Füßen hat. Dann bist Du aber schon fast wieder im tiefsten Punkt der Senke, es geht wieder bergauf und das Ganze wiederholt sich, ab und an garniert mit ein paar Kurven. Manchmal sieht es so aus, als ob Basti, der gerade vorfährt, ins Nichts fährt weil die Straße nicht nur absackt sondern auch wegknickt.
Fast hätte ich den Mann auf der Straße übersehen. Er steht auf dem Mittelstreifen, auf der Gegenfahrbahn steht ein Pferd mit Reiterin (Cowgirl) und dann steht da noch ein riesiges Viech – wir sind daran vorbei bis ich begreife, dass zwischen mir und Kuh kein Zaun ist und es nicht darum ging nicht das Pferd sondern nicht das Rind scheu zu machen. Puh.
Hinterherfahren ist heute auch schwieriger als sonst, denn Bastis Bremslicht leuchtet dauerhaft. Er hat gestern noch etwas am Bremspedal verstellt – anscheinend mehr als er wollte. Naja, ich gewöhne mich dran, mein Kurventempo bestimme ich eh selber. Aber es hilft zu wissen, ob der Vordermann bremst. So geht es eine ganze Zeit auf und ab, bis die 36 anfängt, sich in die Höhe zu schrauben. Und dann –von einem Moment auf den anderen wird es ringsherum grün. In der Senke war alles um uns herum noch braun und karstig und jetzt ist alles grün und die Kurven werden weiter, wir werden schneller, es schwingt sich wunderbar von Kurve zu Kurve. Das ist der 36 zweiter Teil. Der dritte führt über den Berg, ist eng, direkt neben der Straße geht es tief runter, es fällt mir schwer, hier entspannt zu fahren. Aber der Blick in die Landschaft –wenn ich denn mal weiter als bis zur gelben Mittellinie schaue, ist grandios. Wir „spielen“ mit einem Pickup. Er läßt uns vorbei, wir bedanken uns fahren und halten nach ein paar Meilen für einen Fotostopp. Da fährt er wieder an uns vorbei. So geht es ein paar Mal, inklusive eines Tankstopps von uns.
Wir beschließen, hier zwar zu tanken aber laut TomTom gibt es im nächsten Ort auch eine Tankstelle und da vielleicht auch ein Cafe. Wie gut, dass wenigstens die Motorräder etwas zu trinken bekommen habe – der Ort, zumindest die Tankstelle kommt nicht mehr. Da sind wir dann schon im vierten Teil der 36, die Kurven haben wieder einen größeren Radius, die Landschaft wird von Bäumen (und ganz am Ende auch von den ersten Redwoods bestimmt) und es gibt mehr Seitenstraßen. Wie gesagt, ein Fest auf Rädern.
Selbst eine kleine Unterbrechung ist -trotz schlechtem Anlass- ganz nett. Ein Feuerwehrmann bremst uns mit Handzeichen und Fackel runter. Auch am Straßenrand liegen kleine brennende Fackeln. Im Wald? Wo an fast jeder Ecke ein Schild steht, dass Dich informiert, wie groß die Waldbrandgefahr ist? Und wo an all den anderen Ecken Aufforderungen stehen, Camp fire zu löschen? Wo rechts und links die ersten großen, wunderschönen Redwoods stehen? Hm. Egal, wir werden runtergebremst bis der nächste Feuerwehrmann uns zum Anhalten bringt. Ein Auto hat sich auf die Seite gelegt, die Straße muss geräumt werden. Hinter uns ein paar weitere Motorradfahrer, der Feuerwehrmann kommt erst mit denen, dann mit Basti ins Gespräch. Woher wir kommen. Seattle. Deutschland. Ja, Deutschland – tolle Autobahnen. Stimmt und ist besser als die Assoziation „Hitler, Hitler“, die ich mal in Frankreich erlebt habe. Und dann kommt das traurige Schild, dass die 36 hier zu Ende ist.
@Randy: Thanks for this spot, the 36 is awesome!
Wir touchieren kurz die 101, bekommen in Rio Dell etwas zu essen (Frühstück? Lunch? Who cares.) und biegen dann wieder ab um neben der 101, die hier langweiliger, ausgebauter Freeway ist, über die Avenue der Giants zu fahren. Das Schild sagt „Scenic Byway“ – und es hat Recht. Die Straße schwingt locker zwischen den hohen, alten Bäumen hindurch. Dann kommt wieder eine Lichtung, auf der einen Seite Bäume, auf der anderen Seite eine helle Wiese. Der Lichtwechsel ist irre, ganz abrupt und nicht nur dunkler sondern auch rötlicher wird das Licht. Keine Ahnung, ob die Fotos das wiedergeben. Aber Redwoods zu fotografieren ist eh eine Kunst, ohne Vergleich wirken die Bäume nur halb so groß und deutlich weniger beeindruckend.
Wir halten. Und Basti fängt quasi vom Ausrollen an zu schrauben. Er hat irgendetwas nachgeschaut, keine Ahnung was und dabei ist ihm aufgefallen, dass er eine Schraube locker hat. Nee fehlt. Also dem Mopped, nicht ihm. Jedenfalls muss er das sofort heile machen. Quasi noch in Fahrt. Okaaay. Hier eine Schraube ab, da wieder dran, dann noch schnell am Bremslicht gewerkelt (hilft aber nicht andauernd und das alles ohne Kabelbinder. Ich sehe ihn schon zurück in Deutschland stundenlang in der Garage verschwinden. Naja, solange er sich dabei um den kompletten Fuhrpark kümmert soll’s mir Recht sein.
Hatte ich schon erwähnt, dass wir es nicht so weit an die Küste geschafft haben, dass der Seewind echte Abkühlung bringt? Zwischendurch in den Bergen war es super, hier auf dem flachen Land ist es wieder zu warm. Das Skihemd unterwegs anzuziehen war eine Fehlentscheidung, die ich beim nächsten Stopp wieder rückgängig mache. Trotzdem, wir machen am frühen Nachmittag Schluss, das erste Motel in Garberville ist unseres, auch wenn es ein Best Western Plus ist und damit eigentlich über Budget. Das wird uns noch öfter so gehen.
Basti: Aber es gibt Wein und Käse für die Gäste – für mich ein vollständiges Abendessen :-). Zur Strecke, ich habe noch nie eine solche Vielfalt auf einer durchgehenden Straße erlebt. Leider habe ich kein Foto bei Rena in Auftrag gegeben, aber in Red Bluff am Abzweig auf die 36 steht ein Schild Kurvenreich (Der übliche geschlängelte Pfeil) und darunter „Next 148 miles“. Für Maria: Wenn Dir mal richtig Seekrank beim Fahren werden soll – dies ist Deine Strecke! Spätestens die 270° Kurven machen einen kirre weil man gefühlt den eigenen Weg kreuzen, oder gegen den Berg fahren müßte.