Montag, 10.Juni, Fishcamp – Yosemite Valley – Tioga Road – Bridgeport, 138 mls

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Beim Eichhörnchen, das Sebastian heute Morgen fast überfahren hat? Beim Paradies oder in der Hölle? Beides leicht übertrieben,  aber wir haben es wieder einmal durch mehrere Klimazonen geschafft. Was ein Ritt.

Das teuerste Motel hat die schlechteste Dusche. Das Wasser drippelt und entweder es ist kalt oder ich verbrenne mich fast. Dann suche ich –vergeblich- nach meinem zweiten Seidenhandschuh. Daß ich den heute noch schmerzlich vermissen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Der Rest des Aufbruchs ist Routine und das Eichhörnchen zeigt nur, dass wir wirklich tief im Wald geschlafen haben.

Vor dem Eingang in den Yosemite Park ist bereits eine Autoschlange. Meine Hoffnung, Montagmorgen würde der Wald etwas leerer sein, entpuppt sich als Trugschluss. Wahrscheinlich sind wir dafür ein paar Stunden zu spät. Also geht es in korrekten 35 mph den Berg hoch und dann wieder herunter. An den teilweise wirklich dramatischen Ausblicken stehen immer schon eine Vielzahl von Autos. An einen oder zweien halten wir trotzdem, andere lassen wir trotz Dramatik aus.

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Yosemite Valley selber ist im Prinzip eine riesige Einbahnstraße, zum Teil sogar zweispurig, mit vielen Parkmöglichkeiten rechts und links. Am Wochenende schiebt sich hier bestimmt eine einzige große Autokolonne hindurch, ich finde es auch so schon voll genug.

Wir halten an den Bridal Falls, mit dem Auto hätten wir vermutlich keinen Parkplatz mehr bekommen. Woran wir nicht gedacht haben, diese Falls sind auf der südöstlichen Seite der hohen Granitwände. Gegenlicht. Also weiter. Der nächste Stopp ist an einer Wiese, sattes Grün, dahinter die Felsen. Ja, so könnte ein vergessenes Paradies ausgesehen haben – bevor die Tourismus-industrie das Tal entdeckt hat. Wobei da zwei Herzen in meiner Brust wohnen. Auf der einen Seite kann ein Paradies nicht mit dem Auto befahrbar sein. Nicht mit einen klimatisierten SUV bis vor die Tür fahren, aussteigen, Foto machen, weiterfahren. Auf der anderen Seite würden wir diese Naturschönheit auch nicht sehen, wenn es nicht die Straße direkt bis zu den schönsten Punkten geben würde. Und trotzdem, auch Motorradfahren und Yosemite passen nicht zusammen.

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Das nächste Mal – falls es ein nächstes Mal geben wird – will ich eine Woche mit dem Campmobil hier sein und wandern. Frühmorgens einen Oneway-Shuttle bis zum Glacierpoint nehmen und dann den Rest des Tages runter ins Tal wandern. Oder einen der Trails im Tal ausprobieren. Oder einfach am El Capitan sitzen und den Kletterern aus Camp 4 zusehen. Heute ist keiner in der Wand zu sehen – könnte am Wetter liegen.

Wir verlassen das Tal und schrauben uns die Tioga-Strasse hoch. Es wird leerer – wie schön. An einem Fotostopp hält ein Harleyfahrer aus der Gegenrichtung, wir kommen –wie immer- ins Gespräch. Es würde ein bißchen nieseln da oben. Okay, kein Ding – allerdings ist er ein paar Stunden vor uns dort oben. Das ist vielleicht das heutige Motto, wir sind immer etwas zu spät. Ein paar Meilen hängen wir hinter ein paar Autos, bis die erste Gelegenheit zum Überholen kommt, eine von vielleicht fünf auf der 40 mls-Strecke. Wir schrauben uns höher und höher, an vielen tollen Blicken fahren wir vorbei, zum einen weil ich sie zu spät sehe (ich fahre heute vorne) oder er ist so voll (wie dumm, das verspricht doch gerade einen guten Blick) oder wir haben kurz vorher gehalten. Eine Zeitlang fahren wir jenseits der Baumgrenze, 9.000ft und mehr und der Blick ist fantastisch.

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Allerdings ist es inzwischen auch ziemlich kalt, wir haben zwar schon eine Schicht mehr an, aber es ist wirklich kalt hier. Kalt kalt. Und das in Sommerhandschuhen. Der angekündigte leichte Regen hat sich inzwischen deutlich verstärkt. Basti zieht seine Regenkombi an, meine ist ganz unten in der Gepäckrolle, denn wir fahren ja in die Wüste, die brauchen wir sobald nicht mehr. Oh, sch***. Augen zu und durch. Auf der Straße liegt etwas. Hm. Das ist kein Schneematsch. Das kann kein Schneematsch sein, das darf nicht. Aber so wie das beim Auto vor mir wegspritzt, fällt mir nichts anderes ein. Schneematsch also. Meine Hände sind inzwischen eiskalt, die linke halte ich immer wieder an den warmen Motor, aber die rechte muß am Gasgriff bleiben. Kalt. Ich hatte schon fast vergessen, wie sich nasse Füße anfühlen. Kalt. Fantastische Blicke rechts neben mir, ein riesiges Tal, Felsklippen. Kalt. Kamera unter der Regenhaube, klamme Finger – das wird eh nichts. Also weiter. Kalt. Die Landschaft ändert sich, bekommt Seen und Hochwiesen. Kalt. Die Strasse wird abschüssig, ja, laßt mich runter ins Tal, aber dann geht es wieder bergauf und es ist kalt. Kalt. Kalt. Hatte ich erzählt, dass ich im Yosemite Valley in dünnem T-Shirt geschwitzt habe? Das sind mindestens 25° Temperaturunterschied. Ich dachte, ich hätte Sommerurlaub gebucht, aber hier oben liegt rechts und links noch Schnee, nicht mehr viel, aber ein paar Schneefelder kann ich zwischen den Tropfen auf dem Visier und dem leichten Beschlag erkennen. Und die Sommerhandschuh haben natürlich keine Gummilippe wie meine regenfesten, die irgendwo in unserem Gepäck liegen. Und wo sind meine Seidenhandschuh, die ich wenigstens drunter ziehen könnte?  Nach einer gefühlten Ewigkeit von ca. 15mls sind wir so weit bergab gekommen, dass es aufhört zu regnen. Als wir den Nationalpark am anderen Ende verlassen, scheint sogar stellenweise die Sonne. Kurz hinter dem Tor halten wir an. Ich kann meine Finger richtig bewegen, aber nach ein paar herzhaften Flüchen geht es wieder. Ups, das Paar neben uns sind Deutsche, haben aber Verständnis.

War der Park bis auf die Strecke jenseits der Baumgrenze eher grün und lieblich, ändert sich das hier auf der Ostseite dramatisch. Die Felsen sind braun oder weiß, sehr karg, sehr dramatisch.

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Die Sonne wärmt ein bißchen und der Wind bläst meine Kombi langsam trocken, Äh, langsam war die Aussage. Laaangsam. Und nicht in stürmischen Böen, die mich fast vom Mopped wehen. Aber nein, es verweht mich ein paar Mal ziemlich nah an den Randstreifen, so dass ich mich eher langsam den Berg herunter mache, in der Hoffnung, dass unten alles besser wird.

Wir tanken am Monolake. Basti zieht die Regenkombi aus. Es weht auch hier ziemlich kräftig, aber nicht mehr so böig. Damit kann ich umgehen. Vielleicht hätte es uns zu denken geben sollen, dass die beiden Motorradfahrer, die aus der Richtung gekommen sind, in die wir wollen, auch an der Tanke ihre Regensachen ausgezogen haben. Dann fahren wir über den Hyw 395 an der westlichen Sierra entlang und ich habe zwischendurch drei Wetter im Blick. Vor und östlich von uns Regen, westlich Weltuntergang und hinter uns Sonnenschein. Bestimmt ist die Landschaft beeindruckend, aber es verschwindet alles unter einem Regenschleier. Hatten wir heute doch schon mal. Nur dass hier noch heftige Böen dazukommen. Wir fahren beide in ständiger Schräglage und steuern gegen den Wind nur um von einer Böe doch weiter zum Randstrand versetzt zu werden. Man darf hier 65mph fahren – keine Chance. Ich bin froh, wenn ich 50 mph schaffe, manchmal ist es noch weniger. Basti, der hinter mir fährt macht in einer Kurve den Warnblinker an – den Autos machen der Wind deutlich weniger zu schaffen als uns, die brettern an uns vorbei. Kopf einziehen, durchhalten. Anscheinend haben die öfter hier so ein Wetter, an der Strasse steht ein Schild, dass man auf den nächsten 2 mls mit heftigen Böen rechnen muß, wenn die Lichter blinken. Sie blinken und ohne das Schild hätte ich das bestimmt nie nicht bemerkt. Bißchen spät, Jungs, ich kämpfe hier schon länger.

Obwohl es irgendwann aufgehört hat zu regnen, fahren wir an Bodie Town, einer verlassenen Stadt, die wir uns ansehen wollen, vorbei. Morgen muss reichen. Stattdessen fahren wir direkt zum Motel, holen unserer Schlüssel und – waschen.

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Das erste Mal im Leben in einem öffentlichen Waschsalon. Während die Wäsche sauber wird, gehen wir ein bißchen durch Bridgeport, während sie trocknet essen wir etwas. Und dann –endlich- fallen wir tot ins Bett. Also Basti fällt. Während er fast leise vor sich hin döst, schreibe ich Blog. In der Abenddämmerung wird das Licht nochmal phänomenal. Bridgeport ist umzingelt von Bergen, manche schneebedeckt oder zumindest mit Schneefeldern, und über ein paar von ihnen hängen dunkle Wolken (die morgen hoffentlich alle weg sind). Morgen fahren wir zurück – ich freu mich drauf- um uns Bodie Town und Monolake anzusehen und dann langsam unseren südlichsten Punkt zu erreichen.

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Basti: Ja stimmt alles! Ich habe ein schlechtes Gewissen, denn ich kann mir vorstellen wie Rena friert und habe die Regenkombi an. Obwohl ich an den Händen nicht besonders kälteempfindlich bin pieksen auch mich tausend Nadelstiche vor Kälte. Auf der windigen Strecke zwischen Mono Lake und dem Hotel fluche ich manchmal, wenn Rena auf 35mph abfällt, weil ich die Autos im Rückspiegel heranfliegen sehe. Glücklicherweise hat die Straße viele zweispurige Überholsektionen, normalerweise nutzen wir die um Autos, Wohnmobile und LKW zu passieren – diesmal bin ich froh, daß wir uns rechts halten können und der Verkehr an uns vorbeirauscht. Ich habe ständig einen Bericht im Kopf von einem Motorradfahrer der bei Starkwind in Hamburg auf der Köhlbrand-Brücke umgeweht wurde. Es ist gut, daß Rena vorfährt, ich will nur noch ankommen und wäre das eine ums andere Mal sicher zu schnell gewesen.

Ach ja, noch ein kleiner Herz-Aussetzer meinerseits noch auf der sonnigen Seite in Yosemite. Rena hat ja schon geschrieben, daß sie heute vorfährt und die Fotostopps Sekundenentscheidungen sind. In einer Bergauf-Rechts ist auf der linken Seite ein toller Stopp, leicht erhöht über Straßenniveau. Rena blinkt fährt aber fast an der Einfahrt vorbei nur um dann im letzten Moment endlich einzubiegen. Für mich sieht es so aus, als fährt sie eher die Böschung rauf als auf der geteerten Einfahrt und ich warte für einen Moment darauf, daß sie wie ein Motocrosser auf den Parkplatz springt und 3 fotografierende Asiaten ummäht. So dramatisch ist es dann aber nicht und wir bekommen einen super Ausblick in ein weites Tal.

Bitte warne mich vorher wenn Du Stunteinlagen vorhast!!!

Rena: Ich mähe keine Asiaten um.

Ein Gedanke zu „Montag, 10.Juni, Fishcamp – Yosemite Valley – Tioga Road – Bridgeport, 138 mls

  1. Maria

    Hallo Ihr beiden,
    mir fällt nur der Kommentar: Was für ein Tag!!!
    Ich wünsche Euch besseres Wetter morgen für Eure Rückfahrt.

    Viele Grüße
    Maria

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